Bilder für das Leben und die Freiheit

Noch bis Ende September ist eine Ausstellung mit Bildern von Yasaman Aghayari und zur Lage im Iran in der Gaststätte des Kulturhauses Alter Schlachthof zu sehen. Sie ist an den Veranstaltungstagen des Kuiturhauses geöffnet.

Das Herz eine Gefängniszelle. Augen, aus denen blutige Tränen rinnen. – Das Grauen, die allgegenwärtige staatliche Gewalt gegen die Menschen in Iran, die Brutalität, mit der das Regime besonders gegen die Frauen vorgeht: In den Bildern von Yasaman Aghayari wird die  Bedrohung spürbar, die den Alltag in Iran bestimmt. Bilder, die umso mehr erschüttern, je intensiver man sie auf sich wirken lässt..

Yasaman Aghayari, ihre Mutter und die kleine Schwester mussten im vergangenen Jahr fliehen. Für sie gab es in der Heimat keine Sicherheit, keine Zukunft mehr. Die Familie gehört der kurdischen Minderheit an. Yasaman engagiert sich ihrer Kindheit für die kurdische Kultur und arbeitete genauso wie ihre Mutter als feministische Aktivistin.

Heute lebt sie nach der ersten Unterbringung in der ZUE Wickede im Rheinland. In persönlicher Sicherheit, aber immer in Sorge um die, die jeden Tag fürchten müssen, von der Sittenpolizei aufgegriffen, in der Haft gequält und in unfairen Gerichtsverfahren zu drakonischen Strafen verurteilt zu werden – nur weil sie eingefordert haben, sich zu kleiden wie sie möchten, gleiche Rechte zu haben, Politik und Gesellschaft mitgestalten zu können, nicht mehr unter archaischer, religiös begründeter staatlicher Willkür leben zu müssen.

Im Mai dieses Jahres gehörte sie bereits zu den Referentinnen eines Informations- und Diskussionsabends zur Menschenrechtslage im Iran. Unsere ai-Gruppe hatte dazu zusammen mit der Erwachsennenbildung im Kirchenkreis Soest-Arnsberg eingeladen. Die Bilder von Yasaman Aghayari waren damals nur während der Veranstaltung im Petrushaus zu sehen.

Diese Ausstellung eröffnet nun die Chance, die Arbeiten intensiver zu betrachten. Die Bilder haben keine Titel. Sie stehen für sich, laden zur unmittelbaren Auseinandersetzung ein. Sie sind Ausdruck von Schmerz, Leid und Wut.Wenn wir aber auch die farbintensiven Akte auf uns wirken lassen, setzt ihre Kunst auch Zeichen der Hoffnung auf ein anderes, ein selbstbestimmtes und freies Leben.

Die Menschenrechtslage in Iran gehört zu den Schwerpunktthemen von ai in diesem Jahr. Eine Info-Tafel in dieser Ausstellung gibt einen Einblick in die dramatische Situation. Nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Jina Amini fast genau vor einem Jahr, am 16. September 2022,  gab es wochenlange Massendemonstrationen gegen das Mullah-Regime. Die Machthaber reagierten mit massiver Gewalt. Damals war die Menschenrechtslage in Iran Thema in den internationalen Medien. Inzwischen ist es längst aus den Schlagzeilen verschwunden. Das heißt natürlich nicht, dass sich die Lage verbessert hätte, dass die Menschen nicht mehr leiden. Im Gegenteil. Vor dem Todestag von Mahsa Amini kündigte Präsident Raisi härtere Strafen für Frauen an, die sich weigern, den Hijab zu tragen, das meldete die Tagesschau Ende August.

Aktionen wie unsere Ausstellung hier im Bürgerzentrum sind ein winziger Beitrag, um die verzweifelte Lage der Iranerinnen nicht zu vergessen. Und sie sind auch ein Appell an die Politikerinnen und Politiker, die „wertebasierte Außenpolitik“, zu der sich die Bundesregierung offiziell bekennt, auch tatsächlich umzusetzen.

Bei unserer Veranstaltung im Mai hatte die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Nacim Ghanbari dazu aufgerufen, die deutsche und die Politik aller demokratischen Staaten ständig in die Pflicht zu nehmen, die Durchsetzung und Achtung der Menschenrechte ins Zentrum zu stellen und dieses Ziel nicht wirtschaftlichen oder kurzfristigen geostrategischen Überlegungen zu opfern.

„Der Schmerz vieler Menschen ist so groß, dass sie sich nur wünschen, der Boden unter ihnen und ihrem Unterdrücker möge sich auftun und sie beide verschlucken. Einfach nur, damit der Schmerz endlich aufhört – selbst wenn das ganze Land dabei untergeht“, zitiert die ARD-Journalistin Golineh Atai, die selbst aus dem Iran stammt, aus einem Gespräch mit einem Taxifahrer in Teheran. Es ist ein Zeugnis tiefer Verzweiflung. Atai gibt ihrem Buch „Iran. Die Freiheit ist weiblich“ auch den folgenden Instagram-Post einer Frau wieder: „Das große Ereignis, auf das wir alle sehnsüchtig warten, ist nichts anderes als unser vergeudetes Leben.“

Internationale Aufmerksamkeit und Solidarität hilft den Menschen in Iran, in dieser verzweifelten Lage trotzdem Hoffnung zu schöpfen und weiterzumachen. Denn: „Nichts ist für diejenigen, die gegen Tyrannei kämpfen, so demoralisierend, wie unsichtbar oder vergessen worden zu sein“, das sagt die in den USA lebende iranische Oppositionelle Roya Boroumand im Gespräch mit Golineh Atai. Und: Die universellen Menschenrechte sind für sie „der einzige Schutz, den Menschen vor Verfolgung und Missbrauch im eigenen Land haben“.

Boroumand betont, dass diese Rechte „mitnichten vom Westen auferlegt“ seien – wie oft in relativierenden Debatten über die Geltung der MR argumentiert wird. Im Gegenteil: „[Die Menschenrechte] sind Werkzeuge, die unseren Schutz gewährleisten sollen; sie sind wirksam, solange die internationale Gemeinschaft von ihrer Universalität überzeugt ist und sich verpflichtet, ihre Achtung zu gewährleisten.“

Menschenrechte sind keine westliche Erfindung, die den Ländern des globalen Südens aufgezwungen werden. – Das ist auch die Basis für die weltweite Arbeit von AI.  Roya Boroumand bringt auf den Punkt, wie absurd, ja wie zynisch die Relativierung von MR als „westliches Konstrukt“ ist:

„Als ob es den Menschen ‚da unten’ gefällt, für Strafen, die sie nicht begangen haben, ausgepeitscht oder getötet zu werden. Als ob es ihnen gefällt, sich ohne Anwalt zu verteidigen, als ob es ihnen gefällt, unterdrückt zu werden!“

„Frau, Leben, Freiheit“, der Slogan des iranischen Widerstands, hat weltweit großen Anklang gefunden“, schreibt der iranische Publizist Bahman  Nirumand in seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Der mühsame Weg in die Freiheit – Iran zwischen Gottesstaat und Republik“  und fährt fort: „Überall spüren die Menschen, dass er auch ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse zum Ausdruckt bringt, Sehnsucht nach Freiheit, Gleichberechtigung und Frieden. Ein Sieg der iranischen Zivilgesellschaft über das autoritäre, theokratische Regime würde nicht nur in der Region Folgen haben, sondern insgesamt dem Frieden in der Welt dienen.“

Es ist nicht die Aufgabe von Amnesty International, sich für einen so genannten Regime-Change zu engagieren. AI kämpft seit über 60 Jahren, dafür dass die Menschenrechte überall auf der Welt durchgesetzt werden. Diese Ausstellung gehört zu den vielen kleinen Mosaiksteinen, die dazu beitragen, die Menschen in Iran und ihren Kampf für Menschenrechte nicht zu vergessen und Zeichen der Solidarität zu setzen.

10. September 2023