ai bei Stage-Aufführungen

Unsere Gruppe lädt alle Besucherinnen und Besucher der Aufführungen von “Der Untergang (Die Troerinnen)” in der Kirche Neu St. Thomä dazu ein, einen Appellbrief für die Freilassung der gewaltlosen politischen Gefangenen Nahid Taghavi  zu unterschreiben. Damit setzen wir unsere Aktionen zu Iran fort. Das Stück ist die neueste Produktion der Soester Theatergruppe “Stage”. Frank Schindler, ihr Gründer und Leiter, ist seit Jahrzehnten aktives Mitglied unserer ai-Gruppe. Zum Inhalt: “In seinen Troerinnen schuf Euripides in der tragischen Gestalt von Hekabe das zeitlose Sinnbild der hilflos den Schrecken und Greueln des Krieges ausgelieferten Frau. Auf beklemmende und unter die Haut gehende Weise hat Walter Jens in seiner Nachdichtung dieses Stoffes mit dem Titel “Der Untergang” dieses immer wieder oder immer noch aktuelle Antikriegsstück bis zur letzten Konsequenz, dem totalen Untergang zu Ende gedacht. Rigoroser und erschreckender noch als bei Euripides verdichtet sich in seiner Version die Hekabe zum erschütternden Bild einer verzweifelt am Krieg zugrunde gehenden Leidensfrau.” (Quelle: https://www.theatertexte.de/; Aufführungsrechte: Theater-Verlag Desch GmbH).

Stage spielt dieses Werk in einer bearbeiteten und mit aktuellen Bezügen versehenen Version vom 20. bis 23. September jeweils ab 20 Uhr, in der Neu St. Thomä-Kirche, Klosterstraße 10,

Wir bitten die Theaterbesucherinnen und -besucher folgenden Brief an den iranischen Botschafter in Deutschland zu unterschreiben:

Sehr geehrter Herr Botschafter,
ich fordere Sie höflich auf, Nahid Taghavi umgehend und bedingungslos freizulassen, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die sich nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Haft befindet.
Stellen Sie bitte sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie zu angemessener medizinischer Versorgung erhält. Dazu zählen Medikamente und der Transfer zu Gesundheitseinrichtungen außerhalb des Gefängnisses, in denen Behandlungen angeboten werden, die im Gefängnis nicht verfügbar sind.
Bitte sorgen Sie außerdem dafür, dass Nahid Taghavi konsularischen Beistand von den deutschen Behörden erhält.
Nahid Taghavi ist eine von unzähligen politischen Gefangenen in der Islamischen Republik Iran. Weit mehr als 10.000 Menschen wurden allein seit dem 16. September 2022 verhaftet, nur weil sie von ihrem Menschenrecht Gebrauch gemacht haben, friedlich zu demonstrieren. All diese politischen Gefangenen müssen sofort und bedingungslos freigelassen werden.
Mit freundlichen Grüßen,

Hintergrundinformationen zum Fall:
In den vergangenen Jahren haben die iranischen Behörden Dutzende Bürger*innen mit doppelter Staatsangehörigkeit inhaftiert. Darunter befinden sich Journalist*innen, Akademiker*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen.

Der UN-Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte im Iran und die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen haben hervorgehoben, dass die iranischen Behörden schon seit langem willkürlich inhaftierte Doppelstaatsbürger*innen und Staatsangehörige anderer Staaten als Druckmittel einsetzen. Die erneute Inhaftierung von Nahid Taghavi erfolgte unmittelbar auf die Ankündigung der deutschen Bundesregierung, weitere Sanktionen gegen die iranische Regierung zu verabschieden.
Amnesty International hat dokumentiert, wie die iranischen Behörden die Standards für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren systematisch verletzen – vom Zeitpunkt der Festnahme bis die Angeklagten vor Gericht gestellt werden.

Am 16. Oktober 2020 nahmen Angehörige der iranischen Revolutionsgarde Nahid Taghavi in ihrem Zuhause in Teheran fest. Die Behörden informierten ihre Familie weder über ihre Festnahme noch über ihren Aufenthaltsort. Nahids Verwandte begaben sich auf die Suche nach ihr. Als sie am 18. Oktober 2020 das Evin-Gefängnis aufsuchten, entdeckten sie, dass Nahid Taghavi dort in Einzelhaft gehalten wurde. Nach ihrer Festnahme hatte Nahid Taghavi bis zum 28. Oktober 2020 keinen Kontakt zur Außenwelt. Erst dann gestatteten ihr die Gefängnisbehörden ein kurzes Telefonat mit ihrer Familie. Danach verwehrten ihr die Behörden erneut den Kontakt zu ihren Angehörigen, diesmal 35 Tage lang. Seit Dezember 2020 durfte sie alle sieben bis zehn Tage telefonieren.
Von ihrer Verhaftung bis zur Verurteilung verbrachte Nahid Taghavi mehr als sieben Monate in Isolationshaft. Sie musste ohne Bett und Kissen auf dem Boden schlafen, wurde rund um die Uhr überwacht und durfte nur 30 Minuten pro Tag mit Augenbinde an die frische Luft. Am 4. August 2021 wurde Taghavi von einem iranischen Gericht zu zehn Jahren Haft wegen der angeblichen Beteiligung an einer “illegalen Gruppierung” verurteilt sowie zu acht Monaten wegen “Propaganda gegen den Staat”. Diese Anklagen sind konstruiert.

Die grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen haben Spuren hinterlassen. Der Gesundheitszustand von Nahid Taghavi hatte sich seit ihrer Inhaftierung erheblich verschlechtert. Sie hat Diabetes entwickelt und leidet an Bluthochdruck. Ihre Wirbelsäule ist geschädigt und sie benötigt dringend eine Operation. Am 19. Juli 2022 wurde Nahid Taghavi aus medizinischen Gründen in den Hafturlaub entlassen. Doch bereits am 13. November 2022 musste sie zurück ins Evin-Gefängnis für politische Gefangene, obwohl ihre medizinische Behandlung noch nicht abgeschlossen war.
Die prominente Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi hat sich am 4. Juni 2023 per Brief an die Öffentlichkeit gewandt, um über den sich enorm verschlechternden Gesundheitszustand ihrer Zellengenossin Nahid Taghavi zu berichten. Nahid Taghavi hat so starke Schmerzen, dass sie kaum mehr aus dem Bett aufstehen kann. Sie bekommt starke Schmerzmittel injiziert. Sie leidet an tauben Fingern und starken Schmerzen in ihrem Nacken, am Rücken und an den Händen.

Amnesty International betrachtet Nahid Taghavi als gewaltlose politische Gefangene, die allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit festgehalten wird. Quelle: https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/iran-nahid-taghavi-freilassen-2022-11-15?ref=979602

20. September 2023