Welche Kriege, welche Konflikte, welche Menschenrechtsverletzungen schaffen es in die Medien – und welche nicht? Welche Mechanismen greifen bei der Auswahl und Platzierung von Nachrichten? Wo ist die Grenze zur Manipulation bei der publikumswirksamen Aufbereitung? Welche politischen Interessen spielen bei der Lancierung von Informationen eine Rolle und welche Konflikte können in diesem Zusammenhang aus persönlichen Bindungen entstehen? – Fragen, die Regisseur und Drehbuchautor Florian Hoffmann in seinem ersten Spielfilm „Stille Post“ aus dem Jahr 2021 aufwirft.
Unsere Gruppe hatte am Sonntag, 26. März, zum ersten Mal zu einer Filmpräsentation im Soester Schlachthofkino eingeladen. Ein Experiment mit erfolgreichem Ausgang, denn die Resonanz war gut. Kinoleiter Richard Nüsken dankte der Gruppe zu Beginn der Vorstellung für die Initiative und ermunterte zu einer Fortsetzung.
Worum geht es in „Stille Post“? Der Grundschullehrer Khalil lebt mit seiner Freundin, der Fernseh-Journalistin Leyla, in Berlin. Sie zeigt ihm Kriegsvideos aus seiner kurdischen Heimatstadt Cizre in der Türkei. Khalil glaubt, auf den Videos seine tot geglaubte Schwester zu erkennen. Über die kurdische Gemeinschaft in Berlin, von er er sich eigentlich losgesagt hatte, versucht er, mit ihr Kontakt aufzunehmen und sie in Sicherheit zu bringen. Die kurdischen Aktivisten verlangen eine Gegenleistung: Die deutschen Medien sollen die Öffentlichkeit über den brutalen Krieg zu informieren. Leyla und Khalil manipulieren die Aufnahmen, geben den Billdern mehr “Geruch”, um sie in Nachrichtensendungen prominent platzieren zu können. Die im Film verwendeten Videos sind übrigens Originalaufnahmen aus Cizre, die dem Regisseur zugespielt wurden.
Der Kurden-Konflikt in der Türkei, das brutale Vorgehen des türkischen Militärs gegen die kurdische Zivilbevölkerung in Cizre, die Rolle der Medien und Auseinandersetzungen zwischen der türkischen und der kurdischen Gemeinschaft in Deutschland, die das Zusammenleben bis in das Klassenzimmer einer Berliner Grundschule vergiften: „Stille Post“ ist ein packender und komplexer Spielfilm, der reichlich Anregungen für weitere Diskussion bietet.
Der Film habe sie sehr bewegt, sagte eine junge Besucherin nach der Vorführung. „Ich habe lange Angst gehabt zu sagen, dass ich Kurdin bin.“ Sie stammt aus Syrien und ist als Flüchtling über die Türkei nach Deutschland gekommen.
An einem Stand vor dem Kino bot unsere Gruppe Informationen zur Menschenrechtslage in der Türkei an und bat um Unterschriften unter eine Petition für die von einer langen Haftstrafe bedrohte Menschenrechtsanwältin Eren Keskin: https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/juristische-schikanen-gegen-eren-keskin-beenden-2019-01-18
Das Amnesty-Journal hat im Dezember 2022 über den Film berichtet: https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/deutschland-film-stille-post-tuerkei-cizre-kurden-regisseur-florian-hoffmann-hadi-khanjanpour