Pandemie behindert Amnesty-Arbeit

In seiner Ausgabe vom 02. Januar 2021 veröffentlichte der Soester Anzeiger diesen Beitrag über die Arbeit unserer Gruppe im abgelaufenen Jahr.

Soest. Meldungen aus den letzten Tagen des Jahres: In Saudi-Arabien wird die Frauenrechtlerin Ludschain al-Hathlul zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Ihr „Verbrechen“: Sie kämpft dafür, dass Frauen nicht mehr einen männlichen Vormund brauchen und ganz alltägliche Dinge wie Autofahren allein und selbstbestimmt machen dürfen. Im chinesischen Wuhan hat die Bloggerin Zhang Zhan in sozialen Medien Informationen über den Corona-Aufbruch veröffentlicht, die die Machthaber unter dem Deckel halten wollten. Das Urteil: vier Jahre Haft.

Brutale Gefängnisstrafen für zwei junge Frauen, bloß weil sie eigentlich Selbstverständliches eingefordert und verteidigt haben. Zwei Beispiele für die Verletzung von Menschenrechten im Corona-Jahr.

Die Pandemie bestimmt die Berichterstattung in allen Medien. Es sind deshalb besonders schwierige Zeiten, um den Menschenrechten und dem Schicksal derer, die für diese Rechte einstehen, Gehör zu verschaffen.

„Corona hat unsere Arbeit massiv behindert“, blickt Ursula Gutsche auf die vergangenen Monate zurück. Sie ist die Sprecherin der Soester Gruppe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI).
Amnesty ist weltweit aktiv und kämpft für die Einhaltung der Menschenrechte.

Ehrenamtliche Aktive wie die Soester Gruppenmitglieder rücken einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen ins Licht der Öffentlichkeit und sammeln Unterschriften unter Appell- und Petitionsbriefe. Sie kümmern sich um einzelne Opfer und tragen durch ihre Aktivitäten dazu bei, die weltweite Menschenrechtsarbeit zu finanzieren. Ein Pensum mit besonderer Herausforderung in einem besonderen Jahr.

„Trotzdem haben wir einiges auf die Beine gestellt“, freut sich Ulla Gutsche und nennt Beispiele. Zweimal hatte die Gruppe einen Info-Stand in der Brüderstraße aufgebaut. Bei diesen Aktionen ging es um die Menschenrechtslage in der Türkei und den Protest gegen die drohende Strafverfolgung von Aktivisten, die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer retten.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen führte die Gruppe im September ihren Bücherflohmarkt durch. Bereits zum zweiten Mal hatte die Reformierte Gemeinde das Kirchenschiff von Alt-St.-Thomä dafür zur Verfügung gestellt. „Wir konnten eine Menge Bücher verkaufen“, bilanziert Gutsche.
Rund um den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember ruft Amnesty jedes Jahr zum Briefmarathon auf. Dabei geht es darum, in kurzer Zeit zu ausgewählten Fällen so viele Protestbriefe wie möglich zu schreiben. So soll Druck auf Verantwortliche für die Verletzung von Menschenrechten aufgebaut werden. Gut 250 Briefe wurden bei Aktionen im Bioladen „Lebensgarten“ und bei einer „Hörzeit“ in der Petrikirche unterschrieben. Beim parallelen Briefmarathon an Schulen machten das Conrad-von-Soest-Gymnasium und das Städtische Gymnasium Erwitte mit. Die Erwitter Schülervertretung legte sich richtig ins Zeug und schaffte es, 2200 Briefe auf die Reise zu schicken.

„2020 war nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise ein schwieriges und herausforderndes Jahr – doch es gab auch viele Erfolge für die Menschenrechte zu feiern! Millionen Menschen beteiligten sich weltweit unter anderem an unseren Appell-Aktionen und sorgten dafür, dass zu Unrecht Inhaftierte freikamen, diskriminierende Gesetze geändert und Unternehmen zur Verantwortung gezogen wurden“, zieht die deutsche Sektion von AI Jahresbilanz. Die Soester Gruppe hat dazu ihren Beitrag geleistet. Eine Arbeit, die natürlich auch im neuen Jahr weitergehen wird. „Wir hoffen, dass sich auch für uns die Rahmenbedingungen wieder verbessern und wir konkrete Aktionen planen können“, sagt Ulla Gutsche. Dazu gehört, dass auch die regelmäßigen Gruppentreffen wieder im Bürgerzentrum stattfinden – und nicht nur als Videokonferenzen. M.H.

7. Januar 2021